Sauerstoff gegen Krebs!

Eine vielversprechende neue Therapie gegen Krebs wird zurzeit am Universitätsspital Zürich im Rahmen einer Studie getestet – mit ermutigenden Resultaten. 

Statt dem Tumor Sauerstoff zu entziehen und ihn damit zu schwächen, verfolgen Ärzte des Universitätsspitals Zürich einen komplett anderen Weg. Prof. Pierre-Alain Clavien, Direktor der Klinik für Viszeralund Transplantationschirurgie, entwickelte zusammen mit der Klinik für Onkologie ein neues Konzept, das momentan in einer Studie geprüft wird. Es ist genau das Gegenteil des landläufigen Therapieansatzes: Mit dem Molekül Inositol Trispyrophosphat, kurz ITPP, bringen die Ärzte Sauerstoff ins kranke Gewebe. ITPP wurde von Prof. Jean-Marie Lehn, Nobelpreisträger für Chemie, und seiner Forschungsgruppe an der Universität Strassburg entwickelt. «Wenn wir die Sauerstoffversorgung in frühen Tumorphasen erhöhen, schrumpft der Krebs, verliert an Bösartigkeit und wird empfindlicher gegenüber Chemotherapien», erklärt Prof. Pierre-Alain Clavien.

Dass eine geringe Sauerstoffversorgung Krebs fördern kann, wurde bereits vor bald 100 Jahren von Biochemiker Otto Warburg postuliert. Erstaunlicherweise wurde dieser Ansatz nicht weiterverfolgt. In den letzten Jahren hat sich allerdings erhärtet, dass genügend Sauerstoff abnormales Zellverhalten hemmt und die Tumordurchblutung fördert, was zu einer besseren Medikamentenwirkung führt. «Tatsächlich wurden die eindrücklichsten antitumoralen Effekte bei einer Kombination von ITPP mit nachfolgender konventioneller Chemotherapie beobachtet», so Prof. Clavien.

In der Studie, an der Patienten mit nichtoperablen Leber-, Pankreas- oder Gallengangkrebs sowie mit Metastasen von Dickdarmkrebs teilnehmen, wird ITPP neun Mal intravenös verabreicht. Anschliessend folgt eine individuell angepassten Chemotherapie. Das Ziel dieser Behandlung ist nicht die Heilung, sondern die Verkleinerung der Tumore, sodass diese operativ entfernt werden können. Bis jetzt konnte die Studie nachweisen, dass ITPP sehr gut verträglich ist und bei einigen Patienten die gewünschte Wirkung erzielt.

Bereits seit dem 18. Jahrhundert ist bekannt, dass Sauerstoff in Form von Inhalationen medizinisch wirksam ist. Von Frankreich ausgehend fanden Therapien mit diesem Gas europaweite Verbreitung. Die SMT geht auf den deutschen Physiker Manfred von Ardenne (1907-1997) zurück. Von Ardenne war Leiter des gleichnamigen Forschungsinstituts in Dresden und beschäftigte sich neben seinen Erfindungen im Bereich der Funk- und Fernsehtechnik seit den 1960er-Jahren vor allem mit medizinischen Fragestellungen. Dabei interessierten ihn speziell die Zellatmung, der Zellstoffwechsel bei Krebserkrankungen und die Rolle des Sauerstoffs bei diesen Prozessen. Seine diesbezüglichen Studien hatten schliesslich die Entwicklung der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie zur Folge, die von Ardenne in den 1970er-Jahren erstmals der Öffentlichkeit vorstellte. Heute wird das Verfahren weltweit von Ärzten und Heilpraktikern eingesetzt.

Sauerstoff für Krebszellen

Im Kampf gegen Krebs entdecken Forscher eine Schwäche der malignen Zellen: Werden Tumoren gut mit Sauerstoff versorgt, sind Strahlentherapien offenbar besonders wirksam. Daher überlegen Wissenschaftler, Krebspatienten mit einem Bluthormon zu behandeln, das die Sauerstoffversorgung verbessert, um sowohl die Lebensqualität als auch die Überlebenschancen der Patienten zu steigern. Dieses Konzept der Tumoroxygenierung hat in mehreren Studien bereits erfolgsversprechende Ergebnisse erzielt.